Freiheit für Österreich: Zwischen Lockdown, Impfpflicht und Aufstand

Lesezeit4 min

Die neuen Ausgangssperren, die angekündigte Impfpflicht, und das Aussperren von Ungeimpften bringt Österreich auf die Straße. In Wien kam es am Samstag zu einer Großdemo: Wo steht die Bewegung aktuell? 

Es war eine der größten Demonstrationen, die Österreich in der Geschichte der Zweiten Republik erlebt hat. 1993 hatten sich 250.000 Menschen zu einem „Lichtermeer“ gegen Fremdenhass in der Wiener Innenstadt getroffen – die bisher größte Kundgebung. Wie viel es diesmal waren, kann nur vermutet werden. Die Polizei sagt, 40.000 Menschen hätten sich zusammengefunden, um gegen das Corona-​Regime zu protestieren. Das ist definitiv eine grobe Untertreibung. 350.000 Menschen dürften es dann vielleicht auch nicht gewesen sein. Doch die Menge war enorm. Vielleicht, war tatsächlich eine Viertel Million am Samstag auf der Straße.

Zwischen 700 und 1,5 Millionen Menschen

Als Besucher war es Samstagnachmittag, am Höhepunkt der Kundgebung, unmöglich sich ein Bild über die Lage zu machen. Ein Menschenmeer, ohne Ende und Anfang. Zehntausende Menschen zogen über die Ringstraße. »Freiheit!«, »Demokratie« verlangten die Menschen. Das Publikum bunt: Jung & Alt, Alternativ & Konservativ, Inländer & Ausländer.

Dieser Twitter-​User hat die Teilnehmerzahl wohl richtig geschätzt. 

Die Gruppierung „Demokratie und Grundrechte, initiiert vom linken Herausgeber Hannes Hofbauer hatte sich gemeinsam mit der Freien Linken Österreich gesammelt, als bereits die Massen über die Ringstraße zogen. Mit etwa 50 Person schloss man sich nach einem kurzen Marsch durch einen Weihnachtsmarkt und über die äußere Ringstraße dem Demozug an. Wilhelm Langthalers Worte vor Beginn sollten sich bewahrheiten: »Es ist nicht so dass diese Volksbewegung von der FPÖ angeschoben wird, sondern sie versucht sich draufzusetzen«, sagte Langthaler in Richtung innerlinker Opportunismus-​Kritik, sich dieser Bewegung anzuschließen.

Die Freie Linke Österreich schloss sich dieser Analyse an. Es sei ein großer Fehler, als Linke sich von dieser Bewegung zu distanzieren. Stattdessen müsse man um die Deutungshoheit kämpfen, der FPÖ dürfe man nicht das Spielfeld überlassen: »Denn eines ist klar: Nur Internationale Solidarität kann uns aus diesem Schlamassel führen. Es handelt sich um einen globalen Staatsstreich, Nationalismus bleibt eine Sackgasse«, so ein Sprecher der FL Ö. Das Ziel sei aber nicht die Wiederherstellung der bürgerlichen Ordnung von Vormärz 2020, denn diese habe die aktuellen Zustände erst ermöglicht. Der Weg zu einer Gesellschaft jenseits des Kapitalismus brauche im ersten Schritt jedoch die Rückkehr von Grundrechten und Demokratie.

Symptome, die schon in den letzten Monaten innerhalb der Protestbewegung latent sichtbar waren, zeigten sich am Samstag in Wien ganz deutlich – und bestätigten die Analysen der Redner: Was man beobachten konnte, war ein bunter Mix an besorgten Menschen, die zu einem großen Teil kaum politische Erfahrung mitbringen. Es sind Lohnabhängige, die nicht nur wirtschaftlich immer mehr unter Druck stehen, sondern ihre Grundrechte und bald sogar das Recht auf körperliche Selbstbestimmung, verloren haben.

Von rechts?

Diese Lücke schließt die organisierte nationalistische Bewegung, mit Unterstützung der FPÖ, aktuell mit Erfolg. Während die allermeisten die Spitze der Demo gar nicht ausmachen konnten, schaffte es diese, sich medienwirksam nach vorne zu setzen. Ein Erfolg, sowohl für die außerparlamentarischen Teile der Rechten wie auch für die linksliberale Presse: Mit den Bildern von Identitären an der Spitze konnte man das Narrativ der rechtsextremen Proteste weiterbespielen.

Zuvor hatte aber ohnehin die FPÖ zur Demo geladen, sie wird weiter versuchen, den Protest für sich zu beanspruchen. Nicht ganz zu Unrecht: Ein großer Teil der Bewegung ist froh über die raffinierte Fundamentalopposition von Herbert Kickl, setzt er der Regierung doch tatsächlich zu. Das er mit seinem Parlamentsklub aber ebenso schnell der Bewegung die außerparlamentarischen Zähne ziehen kann, wird ebenso wenig beachtet, wie die Politik Kickls unter der Regierung Kurz-Strache.

Die Rechte setz sich jedenfalls, mit medialer Unterstützung, erfolgreich auf die Bewegung, die tatsächlich nicht rechts oder links ist. Sie ist wohl im besten Fall „unten“. Man findet den Querschnitt der österreichischen Gesellschaft, verschiedene Hautfarben, Migrantenkinder, ausländische Putzfrauen gemeinsam mit dem typischen »autochthonen« Arbeiter aus der Provinz. Radikale Forderungen, etwa die Vergesellschaftung der Produktionsmittel oder die Enteignung von privaten Stiftungen. Auch im Geiste zeigt sich ein Querschnitt der Gesellschaft und es ist Wut, der sie auf die Straße bringt: Nutzlose Maske, hirnzersetzende Propaganda, Impfdruck, Ausgangssperren, Gewerbeverbote. Das was wir jetzt haben, darf nicht bleiben, ist vielleicht der sicherste Konsens, der die Menschen verbindet.

Freiheit für Österreich?

Und was jetzt Österreich? Am Tag nach der Wiener Großdemo waren Tausende Menschen in Linz, Bregenz und Salzburg auf der Straße. Die Demos gegen das Regime dürfte ein neues Momentum bekommen haben. Darauf – und vielleicht auf stillen Boykott- beschränkt sich die Bewegung aber aktuell.

Bisher verliefen die Straßenproteste außerordentlich friedlich. Kleinere Auseinandersetzungen mit der Polizei am Samstag waren die größte Aufregung. Das ist tatsächlich bemerkenswert: Die Masse an Menschen am Samstag in Wien, hatte die Polizei in keiner Weise unter Kontrolle. Der Großteil der Demo war oft völlig ohne Polizeibegleitung.

Der Samstag dürfte das nächste Kapitel um die Freiheit eingeläutet haben: Tags zuvor verkündete die Regierung eine Corona-​Impfpflicht. Man sagte sie für Februar voraus. Bis dahin wird noch einiges passieren, doch die Regierung spielt nun endgültig mit offenen Karten. Darauf folgte vielleicht die größte Mobilisierung in der Geschichte der Zweiten Republik, und die erste Seite des neuen Kapitels.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert