Virologie als Ideologie. Eine Kritik der Pseudowissenschaft der herrschenden Klasse – Teil 1: Wissenschaft und Klassengesellschaft

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Dies ist der erste Teil eines vierteiligen Essays, der zuerst in der MagMa English erschien und hier als Übersetzung nachgereicht wird. Er umfasst die folgenden Teile:

  1. Wissenschaft und Klassengesellschaft
  2. Der Militärisch-​Akademisch-​Industriell-​Medizinisch-Wissenschaftliche Komplex (MAIMS*)
  3. Virologie als Ideologie 
  4. Deren Wissenschaft und unsere Wissenschaft

Einleitung

»Der menschliche Leib ist von Natur sterblich. Krankheiten können daher nicht ausbleiben. Warum wird der Mensch erst dem Arzte unterworfen, wenn er erkrankt, und nicht, wenn er gesund ist? Weil nicht nur die Krankheit, weil schon der Arzt ein Übel ist. Durch eine ärztliche Kuratel wäre das Leben als ein Übel und der menschliche Leib als Objekt der Behandlung für Medizinalkollegien anerkannt. Ist der Tod nicht wünschenswerter als ein Leben, das bloße Präventivmaßregel gegen den Tod? Gehört freie Bewegung nicht auch zum Leben? Was ist jede Krankheit als in seiner Freiheit gehemmtes Leben? Ein perpetuierlicher Arzt wäre eine Krankheit, an der man nicht einmal die Aussicht hätte, zu sterben, sondern zu leben. Mag das Leben sterben: der Tod darf nicht leben. Hat der Geist nicht mehr Recht als der Körper?«

Karl Marx

Über drei Jahre hinweg haben wir unter der ständigen Vormundschaft nicht nur der Medizin, sondern auch ihrer Dienerin, der Wissenschaft – oder besser gesagt, DER Wissenschaft – gelebt. »Folgt DER Wissenschaft«, lautete der unablässig wiederholte Befehl. In Wirklichkeit bedeutete dies: Folge dem Diktat von Politikern, Fachleuten und Gesundheitsbürokraten, denn diese handeln schließlich nur auf der Grundlage der reinsten von DER Wissenschaft verkündeten Weisheit. Wir hatten selbstredend keinen Grund, sie in Frage zu stellen, denn das hieße, die Wissenschaft selbst in Frage zu stellen.1

Was ist DIE Wissenschaft? Um das herauszufinden, muss man lediglich »auf die Experten hören«. Wer sind die Experten? Nach den Auftritten in den Medien und den politischen Beratergremien zu urteilen, scheinen sie alle ein überwältigendes materielles Interesse an der pharmazeutischen Industrie und der gewinnorientierten Gesundheitsfürsorge zu haben. Sie sind in der Regel entweder 1) direkt angestellt oder selbst Eigentümer eines oder mehrerer Pharmakonzerne, 2) in den öffentlichen Gesundheitsapparat einer kapitalistischen Regierung eingebunden, entweder in einer Forschungs- oder Regulierungsfunktion, oder 3) haben eine Position an einer großen Forschungsuniversität oder einem Krankenhaus inne.

Die am häufigsten zitierten Experten scheinen tatsächlich im Laufe ihrer Karriere alle drei Positionen zu bekleiden. In den (sehr ähnlich strukturierten und sich oft überschneidenden) Sphären des militärisch-​industriellen Komplexes oder der Banken- und Finanzregulierung wird diese Art der korruptionsfördernden Rotation oft als Drehtür-​Effekt kritisiert. In der öffentlichen Gesundheit und der wissenschaftlichen Forschung funktioniert sie jedoch vermutlich eher wie eine Zentrifuge, und diese schnelle Drehbewegung gewährleistet natürlich nichts anderes als die perfekte Reinheit unserer wissenschaftlichen Experten.

Die organisierten marxistischen Parteien haben im Großen und Ganzen genau solch ein naives, idealistisches Bild der Wissenschaft akzeptiert. Sie haben die tödliche Anwendung der Ideologie der herrschenden Klasse im zweifelsfreien Dienst der Interessen der herrschenden Klasse wiedergekäut und dafür agitiert, nur weil sie sich »Wissenschaft« nannte. Unter diesem Banner haben sie einen noch nie dagewesenen Angriff auf die globale Arbeiterklasse zugelassen oder sogar Vorschub geleistet. Allem Anschein nach haben sie vergessen, wie viele von der herrschenden Klasse und ihren Dienern ausgeheckte Pseudowissenschaften in der Vergangenheit das Siegel der Wissenschaft und die nahezu universelle Zustimmung einschlägiger »Experten« trugen wie etwa der Malthusianismus, die Rassenkunde, die Phrenologie, die Lobotomie oder auch die »politische Ökonomie«, jene »Wissenschaft«, die in Marx’ Kapital so vernichtend entlarvt und verworfen wurde.

Was noch schwerer wiegt, ist, dass sie aus den Augen verloren haben, dass die Wissenschaft eine sehr rare Sache ist. Die meisten herrschenden Klassen in den meisten historischen menschlichen Gesellschaften haben festgestellt, dass ihre Vorteile durch ihr radikales Potenzial, ihre Herrschaft zu untergraben, bei weitem aufgewogen werden und haben sie deshalb im Keim erstickt. Was wir jetzt brauchen, ist eine echte historisch-​materialistische Perspektive, die die Aussicht ernst nimmt, dass wir uns – insbesondere seit der globalen Konterrevolution – in eine weniger wissenschaftliche Gesellschaft zurückentwickeln können und dies auch getan haben, trotz der Vorzeichen, die das Gegenteil suggerieren. Wie Molly Klein bemerkt hat, lag in Marshall MacLuhans berühmter Beschreibung der modernen Welt als globales Dorf und nicht etwa als Stadt etwas sehr Präzises: Während die spätkapitalistische Moderne einerseits technisch hochentwickelt ist, ist sie andererseits sozial immer rückständiger, stammesbezogener, engstirniger und abergläubischer geworden. Kary Mullis, der 1993 den Nobelpreis für Chemie für die Erfindung der PCR-​Technik erhielt, auf der das gesamte Coronakonstrukt beruht, bemerkte, dass »in einigen Jahren die Leute, die auf uns zurückblicken, unsere Akzeptanz der HIV-​Theorie von AIDS genauso albern finden werden wie die Kirchenführer, die Galileo exkommunizierten, nur weil er darauf bestand, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist«.2 Mullis war zu optimistisch.

Dieser Essay möchte Sie bitten die These in Betracht zu ziehen, dass die moderne Virologie und in der Tat ein Großteil der modernen medizinischen Wissenschaft im Allgemeinen, wie sie im 20. und 21. Jahrhundert praktiziert wurde, nicht nur genauso wenig mit der objektiven Realität zu tun hat, sondern auch ein ebenso effektives und monströses Vehikel für die finstersten Ambitionen der herrschenden Klasse ist, wie es die Rassentheorien waren, die Kolonialismus und Imperialismus, Sklaverei und Faschismus rechtfertigten. Er wird die inneren Widersprüche der Virologie, den Schwindel ihrer etablierten Protokolle und die verschiedenen und ineinandergreifenden Wege aufzeigen, auf denen sie als zentrale Legitimationsideologie für die ausbeuterische Klassengesellschaft gedient hat.

Das hiesige Vorhaben begann als einfache Buchbesprechung von Engelbrecht und Köhnleins Buch Virus-​Wahn mit dem Ziel, die Argumente und Beweise, die sie vorbringen, einem breiteren Publikum, insbesondere der Linken, nahezubringen. Es wurde jedoch klar, dass die Barrieren, die viele errichtet haben, um sich mit diesen Materialien auseinanderzusetzen, in der Tat sehr groß sind. Daher wird dieser Aufsatz (Teil 1 und 2) mit dem Versuch der Darlegung eines einfachen, logischen und historischen Arguments beginnen, warum man der Mainstream-​Wissenschaft skeptisch gegenüberstehen muss, insbesondere unter den Bedingungen, unter denen sie derzeit produziert wird. In der Tat gebietet ein wirklich rigoroser marxistischer Ansatz eine extreme Skepsis gegenüber dem gesamten modernen medizinisch-​wissenschaftlichen Apparat des spätimperialistischen Monopolkapitalismus.

In Teil 3 werden die Argumente gegen die Virologie dargelegt, insbesondere die von Engelbrecht et al. formulierten, aber auch die Ergebnisse einer wachsenden Gruppe von Skeptikern, die durch die letzten drei Jahre vereint und mobilisiert wurden. Leider ist die Kritik an der Virologie, gerade weil diese Denkrichtung so effektiv von der marxistischen Linken ausgegrenzt wurde, größtenteils auf eine Weise formuliert worden, die ebenso fehlerhaft und undialektisch sein kann wie die Mainstream-​Virologie selbst. Sie sind oft durch charakteristische kleinbürgerliche Abweichungen gekennzeichnet, die entweder zu einem extremen Positivismus oder zu einem naiven (häufig religiös begründeten) Holismus oder Idealismus führen. Ich hoffe jedoch, dass gerade durch diesen Essay die nichtsdestotrotz tiefgreifende und vernichtende Kritik an der Virologie, die bisher geäußert wurde, selbst aufgegriffen, kritisiert und in eine wirklich wissenschaftliche, historisch-​materialistische Darstellung integriert wird.

In Teil 4 schließlich wird dieser Essay die besondere Entwicklung der Virologie – und der medizinischen Wissenschaft im Allgemeinen – im Kontext der globalen Konterrevolution untersuchen, die ich in »Imperialismus heute heißt Verschwörungspraxis« sehr schematisch zu skizzieren versucht habe. So wie dieser Essay kaum mehr als eine Geste in Richtung eines korrigierten Forschungsprogramms war, wird es auch in diesem Beitrag kaum möglich sein, mehr als einen Überblick über die reichhaltigen und umfangreichen heterodoxen Gedankengebäude zur modernen Medizin und Wissenschaft zu geben, die Marxisten auf eigene Gefahr ignorieren. Solche Behauptungen werden zweifellos absurd und lächerlich erscheinen, selbst für viele, die tiefe Zweifel an den vorherrschenden Erzählungen über die letzten drei Jahre der »Pandemie« haben, in denen wir gelebt haben. Ich möchte Sie einfach bitten, sich daran zu erinnern, dass nicht nur die großen Pseudowissenschaften der Vergangenheit, sondern auch jahrtausendealte religiöse Lehren genauso unanfechtbar und selbstverständlich erschienen, wie uns die Virologie heute erscheinen mag. De omnibus dubitandum! [deutsch: »An allem ist zu zweifeln«, Anm. d. Red.]

Teil 1: Wissenschaft und Klassengesellschaft

Wissenschaft und Ideologie

»Wissenschaft ist der Glaube an die Unwissenheit der Experten.

Wenn jemand sagt: ›Die Wissenschaft lehrt dies und jenes‹, dann benutzt er das Wort falsch. Die Wissenschaft lehrt nichts, die Erfahrung lehrt es. Wenn man Ihnen sagt: ›Die Wissenschaft hat dies und jenes gezeigt‹, könnten Sie fragen: ›Wie hat die Wissenschaft das gezeigt? Wie haben die Wissenschaftler das herausgefunden? Wie? Wie? Was? Wo?‹

Es sollte nicht heißen: ›Die Wissenschaft hat es gezeigt‹, sondern: ›Dieses Experiment, diese Wirkung, hat es gezeigt.‹ Und Sie haben das gleiche Recht wie jeder andere, nach der Kenntnisnahme der Experimente – aber seien Sie geduldig und hören Sie sich alle Beweise an – um zu beurteilen, ob eine vernünftige Schlussfolgerung gezogen worden ist.«

Richard Feynman4

In seiner Massey-​Vorlesungsreihe »Biologie als Ideologie« vertrat Richard Lewontin die Auffassung, dass die Wissenschaft zwei Kernfunktionen habe: die eine sei die Bereitstellung von Techniken zur Handhabung der Welt; die andere sei die Welt zu erklären. Bei der Erklärung der Welt spielt die Wissenschaft eine sehr wichtige, aber unterschätzte Rolle als Institution der sozialen Legitimation.

Für die herrschende Klasse, die über die Verteilung der Ressourcen in unserer Gesellschaft entscheidet – welche Forschungsprojekte finanziert werden oder nicht, welche Informationen veröffentlicht oder unterdrückt werden, welche Praktiken oder Therapien gefördert oder sanktioniert werden -, müssen diese beiden Kernfunktionen ständig abgewogen und ausgeglichen werden. Denn je besser man die Welt versteht, desto einfacher ist es, zu regieren. Es sei denn natürlich, dieses Verständnis ist sowohl subversiv als auch schwer zu kontrollieren. Wie Richard Levins es formulierte, besteht das »grundlegende strategische Problem für die Eigentümer der Wissenschaft: Sie brauchen Innovation … ohne den Skeptizismus und den Bildersturm der Aufklärung«, das heißt sie brauchen eine »bürgerliche Revolution in der Wissenschaft, aber nicht in der Kultur«.5

Alle Marxisten sind sich darüber im Klaren, dass der Kapitalismus zunächst von den Kapitalisten und den von ihnen abhängigen Personen gründlich untersucht wurde, um die von ihnen geschaffene Produktionsweise zu verstehen. Doch je mehr sie zuließen, dass ein klares Bild entstand, desto größer war die von dieser Analyse ausgehende Gefahr für sie selbst. Wie David Fernbach, Übersetzer der englischen Ausgabe des Kapitals, feststellte, »führte die unausweichliche Tatsache des Klassenkampfes der Industriearbeiter nach 1830 dazu, dass sich die bürgerliche Ökonomie von ihren eigenen früheren wissenschaftlichen Entdeckungen zurückzog und die Vulgärökonomie entstand«.6 Das Projekt von Marx im »Kapital« war also, wie es der vollständige Titel betont, »eine Kritik der politischen Ökonomie«. Darin zeigte Marx, dass dieses Gedankengut, das sich als Wissenschaft präsentierte und als solche verstanden wurde, in Wirklichkeit vor allem ein Mittel zur Verschleierung der Realität war, um die kapitalistische Herrschaft zu rechtfertigen und zu verteidigen. Vor allem ließ die politische Ökonomie den von den Arbeitern produzierten und von den Kapitalisten angeeigneten Reichtum als das Produkt des Kapitalisten selbst erscheinen (das dank seines besonderen Einfallsreichtums, seiner Enthaltsamkeit usw. erzeugt wurde). Auch wenn der Begriff »politische Ökonomie« heute von marxisierenden Akademikern oft auf merkwürdige Weise missbraucht wird, um zu signalisieren, dass sie einen ganzheitlicheren Ansatz für ein bestimmtes Thema verfolgen, bezog sich der Begriff zu Marx’ Zeiten einfach auf die bürgerliche (Pseudo-)Wissenschaft, die heute Ökonomie oder Wirtschaftswissenschaft genannt wird.

Um es einfacher auszudrücken: Wissenschaftliche Theorien sind für die herrschende Klasse nicht nur nützlich, um die Welt zu manipulieren, sondern auch, um andere zu manipulieren – um sie davon zu überzeugen, dass die derzeitige Ordnung der Dinge gerechtfertigt oder zumindest unvermeidlich ist. In dieser Hinsicht funktioniert die Wissenschaft wie eine Ideologie. Lewontin argumentiert, dass mit der Abwertung des Christentums nach der Französischen Revolution der biologische Determinismus zur wichtigsten Legitimationsideologie der kapitalistischen Klassenherrschaft wurde. In der Tat ist es bemerkenswert zu beobachten, dass erste Formen der Darwin’schen »Doktrin der DNA« entstanden, noch bevor Darwins spezifische Theorien aufgestellt wurden. Die Literatur des neunzehnten Jahrhunderts, von Brontes Wuthering Heights über Dickens’ Oliver Twist bis hin zu Zolas Rougon-​Macquart-Zyklus, ist durchdrungen von der Vorstellung, dass »das Blut es verrät«, und Emily Brontes Notizbücher offenbaren in der Tat einen proto-​darwinistischen Bezugsrahmen, der unabhängig von Darwin entwickelt wurde.7

Kurz gesagt kann man das historische Problem der Bourgeoisie, das durch diese Ideologie gelöst wurde, wie folgt zusammenfassen: Die Bourgeoisie war zahlenmäßig viel zu klein, um das Ancien Regime direkt zu stürzen. Das Machtgleichgewicht zwischen ihr und der traditionellen feudalen Herrscherklasse schuf Bedingungen, die es den absolutistischen Regimen ermöglichten, eine nie dagewesene Autonomie zu entwickeln. Unter diesen Umständen entwickelte sich die Ideologie des Liberalismus. Dieses Gedankengut, das vor allem vom städtischen Kleinbürgertum entwickelt wurde, ermöglichte den endgültigen Aufstieg der Bourgeoisie, indem es eine Koalition aus städtischen Fachleuten, Kaufleuten und breiten Teilen der arbeitenden Massen – insbesondere Handwerkern und städtischen Lohnarbeitern – schmiedete.

Als die Bourgeoisie jedoch die Macht ergriff, stellte sie sehr schnell fest, dass das Schwert des Liberalismus, das im Kampf gegen die Aristokratie geschmiedet worden war, gegen sie selbst gerichtet wurde. Sie brauchten ein Mittel, um das Fortbestehen der wirtschaftlichen Hierarchie zu rechtfertigen, nachdem das aristokratische Geburtsrecht abgeschafft worden war. Die Biologie, insbesondere in ihren virulentesten ideologischen Formen – Eugenik, Sozialdarwinismus, Phrenologie – diente genau diesem Zweck. Sie ermöglichte es, für eine Form der natürlichen Ungleichheit zu argumentieren. Sobald die »künstlichen« Zwänge des Feudalismus beseitigt waren, waren die fortbestehenden Ungleichheiten die unvermeidlichen Manifestationen einer angeborenen und unveränderlichen Ungleichheit, die durch das Blut bedingt war. Dies wurde natürlich nicht nur zur Rationalisierung der Ungleichheit innerhalb einer Gesellschaft, sondern auch zwischen verschiedenen Gesellschaften verwendet und bildete die Grundlage für rassistische Ideologien, die Sklaverei und Kolonialismus rechtfertigten. Dieser Bodensatz, der das Fundament der kapitalistischen Ordnung bildete, war auch die Grundlage für die radikaleren und finsteren Theorien, die den Faschismus belebten und rechtfertigten.

Dass die moderne Biologie auf diese Weise für die herrschende Klasse nützlich war, bedeutet nicht, dass sie für die Menschheit im Allgemeinen nutzlos war. Dass eine Biologieindustrie Unwahrheiten produzieren konnte, bedeutet nicht, dass diese historische Industrie nur in der Lage war, bösartigen Unsinn zu produzieren, oder dass sie einfach eine Manifestation der Macht der herrschenden Klasse war. Im Gegenteil, die von den bürgerlichen Institutionen betriebenen Naturwissenschaften waren in der Lage, erfahrene Massen mit Unwahrheiten zu überzeugen, und zwar gerade wegen der grundlegenden Legitimität der Methoden ihrer Untersuchungen und der langen und sich ständig akkumulierenden Aufzeichnung wichtiger und gültiger Erkenntnisse, die dadurch offengelegt wurden; die bürgerliche Wissenschaft hatte als ihr Prinzip die tatsächliche, zuverlässige und profitable Beherrschung der konkreten Welt; die Methoden und Mittel wissenschaftlicher Untersuchungen wurden durch den sehr realen Impuls, den gegebenen Planeten, seine Flora, Fauna, Mineralien und alle anderen Substanzen, einschließlich natürlich der Menschen, optimal auszubeuten, reguliert und zur Genauigkeit stimuliert. Wie alle historischen menschlichen Bestrebungen seit der Entstehung der Klassen war auch die Naturwissenschaft im kapitalistischen Zeitalter ein Ort des Kampfes. Nichtsdestotrotz müssen wir die Tatsache anerkennen, dass sie von Anfang an untrennbar mit den Interessen der Klasse verbunden war, deren Aufstieg sie hervorbrachte, und dass sie von diesen Interessen stark beeinflusst wurde.

Der gewaltige, wenn auch nur partielle Sieg der globalen Arbeiterklasse über den Nazismus im Zweiten Weltkrieg brachte die lauteren Verfechter der Pseudowissenschaft der herrschenden Klasse auf dem Gebiet der Humanbiologie vorübergehend zum Schweigen. Da aber die Wurzel – die kapitalistische Ungleichheit – nicht ausgerottet wurde, war ihr Wiederaufkeimen unvermeidlich. Wie Molly Klein beobachtet hat, haben die Vorreiterinstitutionen der herrschenden Klasse wie die Harvard- und die Rockefeller-​Stiftung in der Nachkriegszeit des 20. Jahrhunderts weiterhin jeden mit Geld überschüttet, der behauptete, Beweise für eine weiße oder schwarze biologische Rasse in der Menschheit entdeckt zu haben, und es gab immer Mittel für die stets vergebliche Suche nach Beweisen für die biologische Vererbbarkeit von Faulheit, Gewalt und Tugend. Doch für eine gewisse Zeit wurde ein funktionaler Standard maximaler Objektivität und ein demokratischer politischer Konsens über die Ethik und den Nutzen wissenschaftlicher Praxis in der Naturwissenschaft aufrechterhalten. Unterstützt von den radikalen sozialen Bewegungen der 60er und 70er Jahre führten Leute wie Richard Lewontin und Stephen Jay Gould einen bewundernswerten Kampf gegen die widerspenstige pseudowissenschaftliche Reaktion in Form von biologischem Determinismus, Soziobiologie, Evolutionäre Psychologie usw.

Seit der globalen Konterrevolution, die mit der Niederlage der Großen Proletarischen Kulturrevolution einsetzte, ist diese Art von faschistischer Pseudowissenschaft vorherrschend geworden, zumindest im öffentlichen Bereich. Spätestens mit der extremen Konzentration und Konsolidierung der herrschenden Klasse seit der neoliberalen Ära haben wir allen Grund zu der Annahme, dass die Kluft, die schon immer zwischen öffentlicher und geheimer Wissenschaft bestand, ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht hat. Wie Klein argumentiert hat, leben wir unter Bedingungen, in denen wahrscheinlich viel sehr gute Wissenschaft verdeckt oder halbverdeckt für die herrschende Klasse betrieben wird, gepaart mit zunehmend abergläubischen, pseudowissenschaftlichen Geschichten und Begründungen für ihre Verschleierung, die in Form von kommerzieller Wissenschaft und Technologie verbreitet werden.8 Nichts könnte letzteres besser illustrieren als der absolute Aufstieg der Virologie.

Virologe als Ideologie

Auf einer tiefen philosophischen Ebene steht die Virologie im Einklang mit den grundlegenden Impulsen der bürgerlichen Ideologie und entspringt diesen. Sie fördert die atomistische Sichtweise, die nach singulären mechanistischen Ursachen sucht und die Bedeutung von Umwelt- oder synergetischen Prozessen ausblendet. Sie hält an der Fixierung auf das genetische Material als zentralem Agens fest. In gewisser Weise ist sie eine extreme Verdinglichung der bürgerlichen Vorstellung von der DNA (oder, abgeleitet, der RNA), die uns – in Dawkins‹ Worten – antreibt, als wären wir »gigantische, schwerfällige Roboter«, die »per Fernsteuerung« manipuliert werden. Wie Lewontin beobachtet hat:

Gewöhnlich heißt es, dass Gene Proteine herstellen und dass sie sich selbst reproduzieren. Aber in Wirklichkeit können Gene nichts herstellen. Ein Protein wird durch ein komplexes chemisches Produktionssystem hergestellt, an dem andere Proteine beteiligt sind, die die besondere Nukleotidsequenz in einem Gen nutzen, um die genaue Formel für das herzustellende Protein zu bestimmen. Manchmal wird das Gen auch als Blaupause für ein Protein oder als Informationsquelle für die Entwicklung eines Proteins bezeichnet. Als solches wird es als wichtiger angesehen als die reine Herstellungsmaschine. Aber natürlich können Proteine nicht ohne das Gen und den Rest der Maschinerie hergestellt werden. Keines von beiden ist wichtiger. Die Isolierung des Gens als so genanntes Hauptmolekül ist eine weitere unbewusste ideologische Verpflichtung, die den Verstand über die Muskeln, die geistige Arbeit über die rein körperliche Arbeit und die Information über die Handlung stellt. Gene sind auch nicht selbstreplizierend. Sie können nicht mehr von sich selbst herstellen, genauso wenig wie sie ein Protein herstellen können. Gene werden von einer komplexen Maschinerie von Proteinen hergestellt, die die Gene als Modell für weitere Gene verwendet. Indem man die Gene als selbstreplizierend bezeichnet, werden sie mit einer geheimnisvollen autonomen Kraft ausgestattet, die sie über die gewöhnlichen Materialien des Körpers zu stellen scheint. Doch wenn man von irgendetwas auf der Welt sagen kann, dass es sich selbst reproduziert, dann ist es nicht das Gen, sondern der gesamte Organismus als komplexes System.9

Die Virologie ist in gewisser Weise eine noch fanatischere Abwandlung jener ideologischen Neigung, Gene zu reinen Akteuren emporheben zu wollen.

Selbstredend werden sie auch nicht als kollektive oder soziale Akteure betrachtet. Im Gegenteil, die Virologie passt noch besser in das hobbesianisch-​darwinistische Bild der Natur als feindlich und rein wettbewerbsorientiert. Sie evoziert eine Welt der Angreifer, Eindringlinge und feindlichen (zellulären) Übernahmen. Sie ist in der Tat ein gebrochenes Bild der Geschichte des Kapitals selbst: Im Laufe des letzten halben Jahrtausends hat sich das Kapital nach und nach in die Selbstreproduktionsprozesse verschiedener gesellschaftlicher Körper eingeschlichen und sie seinem einzigen Ziel untergeordnet: der Reproduktion und Vermehrung seiner selbst. Der Acker, der einst für den Unterhalt der Bauern, ihres Herrn und seiner Gefolgsleute bestellt wurde, wird heute nur noch mit dem einen Ziel bestellt: maximale Erträge aus dem Tauschgeschäft auf dem Markt zu erzielen, um mehr Kapital zu erhalten, das wiederum in immer größerem Umfang reinvestiert werden kann. Genauso, so sagt man uns, bemächtigten sich die Viren der (Re-)Produktionsmittel des Körpers auf zellulärer Ebene, um sie für ihren unersättlichen Fortpflanzungstrieb zu kapern. So trägt die Wissenschaft, wie in so vielen anderen Bereichen, den Abdruck der Produktionsweise, unter der sie produziert wird.

Die Virologie folgt in ihrem Kern einer Art krudem Syllogismus, der beinahe eine Parodie des atomistischen Weltbildes ist. Lange Zeit war bekannt, dass sich Parasiten von Wirt zu Wirt ausbreiten und Krankheiten verursachen können. Im Zuge des technischen Fortschritts wurden Bakterien entdeckt, die sich wie Parasiten ausbreiten und Krankheiten verursachen konnten, aber viel kleiner waren. Dieses Krankheitsmodell war sehr attraktiv und wurde bald zum Standard, um möglichst viele Krankheiten zu verstehen. Die Gründe dafür werden weiter unten erläutert. In den Fällen, in denen eine Krankheit als übertragbar angesehen werden kann, für die aber kein Parasit oder Bakterium gefunden werden konnte, musste es also auch einen Erreger geben, der nur noch kleiner war. Es ist erwähnenswert, dass die Virologie im Wesentlichen auf solchen Annahmen beruhte und sich fest etablierte, bevor Technologien wie die Elektronenmikroskopie entwickelt wurden, die es uns tatsächlich ermöglichten, vermeintliche Viren zu »sehen« oder ihre Existenz zu bestätigen.

Besonders bedeutsam in unserer heutigen Zeit ist, dass die Virologie eines der mächtigsten Mittel der herrschenden Klasse darstellt, um sie von der Erbärmlichkeit der Umstände zu entschuldigen und entlasten, die sie der Masse der Bevölkerung aufzwingt. Die wahren Ursachen für die überwiegende Mehrheit der vermeintlichen Viruserkrankungen sind schlicht die künstlichen Folgen der Klassengesellschaft: von Mangelernährung bis zu Vergiftungen. Dies wird implizit sogar von vielen Mainstream-​Virologen anerkannt, die glauben, dass solche Bedingungen die Anfälligkeit für Infektionen erhöhen.

Letzteres ist vielleicht am wenigsten gut verstanden. Die Virologie hat als allgemeines Mittel funktioniert, um die Schuld für Krankheiten von denen, die uns überbeiten, hungern lassen und vergiften, weg und hin auf eine (bis zu diesem Jahr allgemein als) unkontrollierbare Naturgewalt zu schieben. Aber es wurde mit Sicherheit auch sehr viel gezielter und bewusster eingesetzt. Wie Catherine Austin Fitts es treffend formuliert hat:

Ein Toxin verursacht eine Krankheit. Bei dem Gift kann es sich um Pestizide, Umweltverschmutzung durch die Industrie oder Strahlung durch drahtlose Technologien handeln. Das Gift schädigt Millionen von Menschen und ihre Gemeinschaften. Unternehmen oder ihre Versicherungen können für zivil- oder strafrechtliche Verstöße haftbar gemacht werden. Dann wird ein Virus verantwortlich gemacht. Ein »Heilmittel« wird in einem »Impfstoff« gefunden. Die Belastung mit Pestiziden oder anderen Giften wird genau dann eingestellt, wenn der Impfstoff eingeführt wird. Im Handumdrehen ist die Krankheit verschwunden. Der Impfstoff wird zum Erfolg, der Erfinder zum Helden erklärt. Eine potenzielle finanzielle Katastrophe wurde in einen Gewinn umgemünzt, auch für Investoren und Pensionsfonds.10

Wie weiter unten gezeigt wird, wurde diese Art von Schema, auch wenn es möglicherweise in mancher Hinsicht zu sehr vereinfacht, mit ziemlicher Sicherheit – bewusst, absichtlich wie konspirativ – bei Polio eingesetzt, um eine weit verbreitete DDT-​Vergiftung zu vertuschen.11

Jetzt am bedeutendsten ist jedoch, dass die Virologie als Rechtfertigung für umfassende soziale Kontrolle und Überwachung fungiert. Dies ist in letzter Zeit wohl am stärksten durch eine Art Umkehrung der traditionellen virologischen Ideologie vorangetrieben worden. Den Höhepunkt dieser Entwicklung bildet das derzeitige globale Regime. Wie oben ausgeführt, bestand ein zentraler ideologischer Nutzen der Virologie traditionell darin, die Verantwortung für Krankheit und Tod von den krankmachenden und uns von der herrschenden Klasse auferlegten sozialen Bedingungen auf eine anonyme und unkontrollierbare Naturgewalt zu verlagern. Dazu zählen Überarbeitung, Umweltvergiftung, Drogensucht, raffinierter Zucker oder andere vergiftete Waren, Stress und Angst, Unterernährung, Isolation, Depression, Wut und Trauer, kurz gesagt, der Kapitalismus.

Das Corona-​Programm hat diese Formel aufgegriffen und in eine noch verderblichere Rechtfertigung für ein noch dreisteres Programm umgewandelt: Die herrschende Klasse hat sich selbst die Verantwortung für die Kontrolle dieser Kraft angemaßt und sich damit das Recht angeeignet, ihr legitimes Betätigungsfeld bis in die tiefsten Tiefen unserer Zellen auszuweiten. Auf die gleiche Weise nutzt die herrschende Klasse derzeit die von ihr selbst betriebene langfristige Degradierung der Natur. Mit dem »Green New Deal« und den damit verbundenen Programmen will die herrschende Klasse ihre eigene kriminelle Vergangenheit bereinigen, indem sie die negativen externen Effekte internalisiert. Elemente der natürlichen Welt, die bisher nicht als Eigentum von irgendjemandem anerkannt wurden (oder, was auf das Gleiche hinausläuft, als Eigentum von allen anerkannt wurden), werden bald als Vermögenswerte anerkannt (natürlich geschützt durch wohlwollende Regierungen oder Nichtregierungsorganisationen, die sie nur zu unserem Nutzen schützen wollen). Dieser durchsichtige Schwindel, jeden noch nicht kontrollierten Zentimeter der Erde unter dem Deckmantel der Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit zu privatisieren, ist ein charakteristisches Manöver der gegenwärtig herrschenden Klasse, deren Vorhut sich aus dem Geflecht von Hochfinanz und Geheimdienstoperationen formiert.12

Die politischen und wirtschaftlichen Einzelheiten der gegenwärtig stattfindenden globalen Transformation würden jedoch den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Es reicht an dieser Stelle – unabhängig von ihrer Evidenzbasis – der Hinweis auf die tiefgreifende Anziehungskraft, die die Ideologie der Virologie auf mehreren Ebenen für die herrschende Klasse besitzt. Man könnte meinen, dass es für die herrschende Klasse sehr vorteilhaft gewesen wäre, Viren zu erfinden, wenn es sie nicht gegeben hätte. In der Tat haben sie in der virtuellen, computerisierten Welt, in die sie uns treiben, genau das getan.

Zu groß, um falsch zu sein?

Man mag zugeben, dass bestimmte Elemente der Virologie im Interesse der herrschenden Klasse entweder hervorgehoben oder unterdrückt werden oder dass sie durch bestimmte begriffliche Scheuklappen eingeschränkt wird. Aber dass ein ganzes, riesiges und lange entwickeltes Wissenschaftsgebiet in seinen grundlegenden Prämissen irren könnte: das scheint unvorstellbar. Doch die Geschichte ist diesbezüglich lehrreich.

Nur sehr wenige glauben an die Gebote von mehr als einer Hauptreligion, was bedeutet, dass fast jeder anerkennt, dass die meisten, wenn nicht alle, Religionen in ihren Grundlagen grundlegend falsch sind. Dennoch haben sich die Menschen jahrhundertelang unter deren immensen Illusionskomplexen geplagt. Sie sind ihren Lehren gefolgt. Sie haben Bibliotheken gefüllt, in denen die Stammbäume der Gottheiten, die theologischen Nuancen der Beziehungen zwischen den Geistern und die kleinsten Aspekte übernatürlicher Phänomene beschrieben wurden. Sie haben sich in ihren Überzeugungen zutiefst bestätigt gefühlt: Sie wurden von Ihrem Gott oder ihren Göttern angesprochen oder haben gesehen, wie er oder sie in ihrem Leben und dem Leben anderer gewirkt hat; sie haben sich über Wunder gefreut oder sich selbst wegen verdienter Strafen gezüchtigt.

Es kann einfach nicht sein, dass die Hartnäckigkeit, das Ausmaß oder die Komplexität eines Glaubenssystems beweist, dass es nicht grundlegend falsch sein kann. Und auch nicht unbedingt die stark empfundene Überzeugung, dass man seine Funktionsweise wahrgenommen hat. Sie mögen sich eine Erkältung »eingefangen« haben, Sie glauben genau zu wissen, von wem Sie sich angesteckt haben, usw. Sie unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht von den vielen, die sich sicher waren, Skorbut »eingefangen« zu haben, als man noch glaubte, er sei ansteckend oder von dem Bauern, der wusste, dass er verflucht worden war.

Natürlich kann man hier entgegnen, dass die Verquickung von Wissenschaft und Religion ein billiger und spitzfindiger Zynismus ist. Die Wissenschaft verfügt über eine strenge Methodik, die sie von der Religion unterscheidet. Doch wie Lewontin bemerkte:

Wissenschaft besteht nicht einfach aus einer Sammlung wahrer Fakten über die Welt, sondern ist eine Sammlung von Behauptungen und Theorien von Menschen, die sich Wissenschaftler nennen. Sie besteht zu einem großen Teil aus dem, was Wissenschaftler über die Welt sagen, was auch immer der wahre Zustand der Welt sein mag. Die Wissenschaft ist nicht nur eine Institution, die sich mit der Manipulation der physischen Welt beschäftigt. Sie hat auch die Aufgabe, das Bewusstsein der Menschen über die politische und soziale Welt zu formen.

Wir laufen Gefahr, in die Semantik abzugleiten, wenn wir versuchen, die Wissenschaft von dem zu unterscheiden, was sich selbst Wissenschaft nennt. Es sollte jedoch unumstritten sein, darauf zu bestehen, dass Letzteres nicht immer Ersteres ist. Eine Kernaussage dieses Aufsatzes ist, dass das moderne Gebiet der Virologie in wichtigen Punkten auf Prinzipien und Praktiken beruht, die nicht mit der wissenschaftlichen Methode, wie sie allgemein verstanden wird, vereinbar sind. Und dass die Selbstkontrollmechanismen, die angeblich die Integrität der Wissenschaft aufrechterhalten – vor allem das Peer-​Review-​System – sich als unfähig erwiesen haben, hier Abhilfe zu schaffen. Wir werden in Teil 2 dieses Essays sogar die Behauptung aufstellen, dass es in einer Klassengesellschaft mit einer so radikalen Ungleichverteilung des Reichtums wie der unsrigen unmöglich ist, dass ein Peer-​Review-​System angemessen funktionieren kann.

Es geht hier nicht einfach um einen abtrünnigen Wissenschaftszweig, der unabhängig von der legitimen Institution fälschlicherweise den Namen Wissenschaft für sich beansprucht. Es ist vielmehr allgemein bekannt, dass es in der Geschichte zahlreiche Beispiele für Pseudowissenschaften gibt, die weithin als Wissenschaft anerkannt waren – auch von praktisch allen anderen »echten« wissenschaftlichen Institutionen. Harriet Washington hat dies dokumentiert:

Die lieb gewonnenen Grundsätze des wissenschaftlichen Rassismus klingen heute unverhohlen rassistisch, absurd oder beides, aber im 18. und 19. Jahrhundert war wissenschaftlicher Rassismus einfach Wissenschaft, und sie wurde von den besten Köpfen an den angesehensten Institutionen der Nation verkündet. Andere, logischere medizinische Theorien betonten die Gleichheit der Afrikaner und schoben die schlechte Gesundheit der Schwarzen auf ihre Peiniger, aber diese hatten nie die Anziehungskraft der medizinischen Philosophie, die die Sklavenhändler rechtfertigte und damit auch die profitable Lebensweise unserer Nation.13

Die meisten erkennen bereitwillig an, dass fast die gesamte Rassenlehre (einschließlich eines Großteils dessen, was bis heute unter Bezeichnungen wie Soziobiologie oder Evolutionspsychologie weitergeführt wird) fast ausschließlich aus sehr barocken und komplizierten, aber letztlich absurden und haltlosen Fiktionen besteht. Der wissenschaftlich-​technische Nutzen eines genauen Verständnisses der menschlichen Vielfalt für die herrschende Klasse wurde durch den ideologischen Nutzen der Rassenmythologie bei weitem aufgewogen. Und genau so war die »Wissenschaft«, die sie riefen.

Es ist wichtig, darauf zu bestehen, dass dies so war, auch wenn es notwendigerweise die Haltung der Sklaven als optimale Arbeitskräfte behindert hat. Diejenigen, die darauf beharren, dass die herrschende Klasse uns nicht absichtlich verstümmeln würde, weil dies unsere Arbeitsfähigkeit untergraben würde, täten gut daran, sich in Erinnerung zu rufen, dass dasselbe Argument zur Verteidigung der Sklaverei vorgebracht wurde, die angeblich für die Eigentümer einen Anreiz bot, sich sorgfältiger um ihr Eigentum zu kümmern als ein Chef um einen austauschbaren Arbeitnehmer. In der Tat ist bekannt, dass die nicht allzu weit zurückliegende Geschichte der angeblich wissenschaftlich fundierten medizinischen Praxis von Praktiken durchsetzt ist, die heute nicht nur als absurd und ineffektiv, sondern auch als grotesk und gefährlich erkannt werden. Der Bereich der »Negermedizin«, der im 19. Jahrhundert im amerikanischen Süden praktiziert wurde, basierte beispielsweise, wie Washinton anmerkt, auf einem »ungeprüften Mythologiekern über die biologische Natur der Schwarzen«. Dazu gehörten »die endlosen und größtenteils fiktiven Kataloge von »rassischen« Merkmalen der Naturwissenschaftler«.14 Einige Beispiele aus diesem Bereich sind in der heutigen Zeit besonders aufschlussreich.

Nehmen wir den Fall von Samuel A. Cartwright, M.D., einem der größten Pioniere auf diesem Gebiet. Er wurde 1848 von der Medical Association of Louisiana zum Vorsitzenden eines Ausschusses ernannt, der die Gesundheit und Physiologie der Schwarzen untersuchte. Wie Washington feststellt, »ergänzte er seine wissenschaftliche Arbeit durch einen ständigen Ansturm von medizinisch begründeten Pro-​Sklaverei-​Briefen an Zeitungen und populäre Zeitschriften«[17] Der Wandteppich »imaginärer ’schwarzer‹ Krankheiten, deren Hauptsymptome ein Mangel an Enthusiasmus für die Sklaverei zu sein schienen«, war ebenso reichhaltig und kompliziert gewebt wie der, der uns heute unter dem Banner der Virologie begegnet. Dazu zählten die »Drapetomanie«, die krankhafte Neigung, der Sklaverei zu entfliehen, die »Hebetude«, die »eigentümliche Faulheit oder Trägheit, die Sklaven dazu veranlasste, das Eigentum ihrer Besitzer zu misshandeln und zu missbrauchen« sowie die »Dythesia Aethiopica«. Letztere führte zu dem irrationalen Wunsch, das Eigentum des Besitzers zu zerstören, und unterscheidet sich nach Cartwrights Worten »von jeder anderen Art von Geisteskrankheit, da sie mit physischen Zeichen oder Läsionen des Körpers einhergeht, die für den medizinischen Beobachter erkennbar sind«[18] Erstaunlicherweise wurden bei widerspenstigen Sklaven mysteriöse Striemen auf dem Rücken entdeckt! Zum Glück erkannte Cartwright die richtige Therapie – eine gute Tracht Peitschenhiebe und harte Arbeit:

Das Leiden ist leicht heilbar, wenn es nach gesunden physiologischen Prinzipien behandelt wird. Die Haut ist trocken, dick und fühlt sich rau an und die Leber ist inaktiv. Leber, Haut und Nieren sollten zur Aktivität angeregt und dazu gebracht werden, bei der Entkarbonisierung des Blutes mitzuwirken. Das beste Mittel zur Stimulierung der Haut ist, den Patienten zunächst mit warmem Wasser und Seife gut zu waschen, ihn dann überall mit Öl einzusalben und das Öl mit einem breiten Lederriemen einzuklopfen; dann den Patienten zu einer harten Arbeit an der frischen Luft und im Sonnenschein zu zwingen, die seine Lungen ausdehnt, wie Holzhacken, Schienen spalten oder Sägen mit der Kapp- oder Peitschensäge. Jede Art von Arbeit ist geeignet, die bei ihrer Ausführung eine volle und freie Atmung bewirkt.15

Die Pica bei Sklaven, die mit ziemlicher Sicherheit durch extreme Unterernährung verursacht wurde, wurde als Cachexia Africana pathologisiert.16 Um die Überarbeitung unter unsicheren Bedingungen zu rechtfertigen, wurden Schwarze auch als immun oder unempfindlich gegen Krankheiten erklärt, die nur für Weiße wirklich gefährlich waren – wie Hitzschlag, Sonnenstich oder Malaria -, obwohl es zahlreiche Beweise dafür gab, dass schwarze Sklaven natürlich an all diesen Krankheiten litten. Die empirische Realität konnte diese ideologisch wichtigen Doktrinen nicht untergraben.17 Dieses grausame und absurde Gebiet der schädlichen Pseudowissenschaft war dennoch kompetent genug, um die Gesundheitsbescheinigungen zu erstellen, die ein entscheidendes Element der Sklavenwirtschaft waren.

Es lohnt sich dies noch einmal zu betonen: Die Rolle der Südstaatenärzte für das Funktionieren des Sklavenmarktes war äußerst wichtig. Gesundheitsbescheinigungen, die eingeholt wurden, um zu überprüfen, ob ein Sklave von kaufenswerter Qualität war, kosteten oft genauso viel wie Behandlungen. In dem Maße, in dem die Doktrinen der »Negermedizin« die Genauigkeit dieser Diagnosen untergruben, untergruben sie ernsthaft die Fähigkeit der Sklavenhalterklasse, aus den Sklaven Wert zu schöpfen. Diese starken wirtschaftlichen Anreize zur Genauigkeit reichten jedoch nicht aus, um die gegenläufigen Anreize zur Verschleierung aufzuwiegen, so dass die absurden Lehren in diesem Bereich nicht untergraben wurden, wie der heute in weiten Teilen der Linken vorherrschende oberflächliche Materialismus nahelegen würde. Eine so absurde Diagnose wie Cartwrights Dysaethesia Aethiopica, die die Ursache für die Striemen auf dem Rücken der Sklaven nicht in den Schlägen, sondern in einem Mangel daran sah, war für den Sklavenhalter, der die Schläge verabreichte, letztlich vorteilhafter als eine Auffassung, die den Sklavenhalter verantwortlich und schuldig machte, mochte sie noch so offensichtlich falsch sein.

Die herrschende Klasse möchte zwar nicht, dass wir gesund sind, aber gesund genug, um unter bestimmten profitablen Bedingungen für sie zu arbeiten. Doch nicht so gesund, dass wir sie überwältigen können. Sie wollen nicht, dass wir gut ausgebildet sind, sondern gut genug, um die Aufgaben zu erledigen, die sie uns diktieren. Aber nicht ausreichend gebildet, um ihre Lügen zu durchschauen. Eine befreite proletarische Wissenschaft würde zu Ersterem beitragen. Die Wissenschaft der herrschenden Klasse zielt auf Letzteres ab. Es ist der größte Fehler, sie zu verwechseln. Wie Tony Benn einmal bemerkte: »Ein gebildetes, gesundes und selbstbewusstes Volk ist schwerer zu regieren.»18

Unter welchen Bedingungen ist Wissenschaft möglich?

Misstrauen und Verachtung gegenüber der pharmazeutischen Industrie und damit zumindest gegenüber einigen Aspekten der modernen Medizin sind in der breiten Bevölkerung und vor allem in den am stärksten ausgebeuteten Teilen der Arbeiterklasse auf der ganzen Welt weit verbreitet. Diese Tatsache wird sogar in der bürgerlichen Presse häufig anerkannt, wenn auch fast ausschließlich in einer zutiefst paternalistischen und abschätzigen Weise. So wird beispielsweise die Impfstoffskepsis der afroamerikanischen Gemeinschaft in den USA routinemäßig als vernünftiges, aber überholtes und unglückliches Erbe früherer Untaten abgetan. Die gottverlassenen Massen müssen in ihrem eigenen Interesse erzogen werden. Es ist schließlich nicht sehr überraschend, dass Menschen, deren soziales Milieu sich stark mit den Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen, öffentlichen Gesundheitsämtern und anderen von solchen Kampagnen profitierenden Einrichtungen überschneidet, diese sehr bereitwillig unterstützen.

Die unmittelbaren und vulgären Klasseninteressen vieler in der organisierten Linken sind hier jedoch eine unzureichende Erklärung. Quer durch die Bevölkerungsgruppen, die die Führung der großen linken Organisationen im Westen dominieren – vor allem Angestellte und Wissensarbeiter verschiedener Art -, gibt es eine viel tiefer gehende und tiefgreifendere materielle und psychische Beteiligung an den akademischen Elite-​Institutionen und der von ihnen produzierten »Wissenschaft« der herrschenden Klasse. Für das Selbstverständnis dieser Klasse ist es von zentraler Bedeutung, dass die Wissensproduktion – auch wenn sie von der herrschenden Klasse finanziert und zu deren Bedingungen produziert wird – in gewisser Weise relativ autonom und sogar selbstverwirklichend ist. Insbesondere sind sie tief in eine bestimmte Auffassung von Wissenschaft verstrickt, die sich selbst als vollständig oder zumindest primär durch ihre eigene interne Dynamik angetrieben sieht.

Diese Klasse wird zugeben, dass die Wissenschaft unter bestimmten Umständen besser oder schlechter finanziert sein kann; wichtige Forschungsrichtungen können ignoriert werden, weil sie nicht profitabel sind; bestimmte Regime (meist finstere nicht-​westliche Schurken) können bestimmte Elemente der Wissenschaft unterdrücken. Dies kann den Fortschritt der Wissenschaft verlangsamen, aber die Wissenschaft macht im Laufe der Zeit dennoch mehr oder weniger lineare Fortschritte. Wenn man sich diesem Glaubensartikel anschließt, kann man die oben erwähnten Parallelen zwischen den heute anerkannten Pseudowissenschaften der Vergangenheit und der modernen Virologie oberflächlich ablehnen. Wir sind über solche Zustände hinausgewachsen, wir haben eine bessere Wissenschaft, die die schlechte leicht verdrängt. Diese Art des Denkens wurde von Walter Benjamin scharf kritisiert, der feststellte, dass:

Das Staunen darüber, dass die Dinge, die wir erleben, im zwanzigsten Jahrhundert ’noch‹ möglich sind, ist kein philosophisches. Es steht nicht am Anfang der Erkenntnis, es sei denn der, dass die Vorstellung von Geschichte, aus der es stammt, nicht zu haten ist.19

Die Annahme, dass sich die Wissenschaft stets linear oder sogar exponentiell verbessert, steht im Einklang mit einer liberalen, idealistischen Vorstellung von Geschichte, widerspricht aber völlig dem historischen Materialismus. Marxisten erkennen an, dass die Wissenschaft keine selbsttätige Entität ist, die über der materiellen Realität schwebt: vielmehr entsteht die Wissenschaft aus bestimmten materiellen Bedingungen – und aus den meisten anderen nicht! In der Tat war die überwiegende Mehrheit der menschlichen Gesellschaftsordnungen der Entwicklung der Wissenschaft nicht förderlich. Vor allem mit dem Aufstieg des Kapitalismus selbst wird die Wissenschaft am meisten in Verbindung gebracht – obwohl die genaue und wahre Natur dieser Verbindung selbst oft ideologischer Verschleierung unterliegt. Dazu hat J.D. Bernal folgendes festgestellt:

Heute ist uns klar, obwohl es das damals sicher nicht war, dass in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts etwas Neues begann. Wir betrachten die Renaissance als Vorläuferin des Kapitalismus, aber erst im 18. Jahrhundert wurde ein grundlegender Wandel allgemein anerkannt. Zu diesem Zeitpunkt standen der Menschheit durch die Anwendung von Wissenschaft und Erfindungen neue Möglichkeiten zur Verfügung, die wahrscheinlich eine noch größere Auswirkung auf ihre Zukunft haben würden als die der Landwirtschaft und der Techniken der frühen Zivilisation. Erst in jüngster Zeit sind wir in der Lage, die Entwicklung des kapitalistischen Unternehmertums von der Entwicklung der Wissenschaft und der allgemeinen Befreiung des menschlichen Denkens gedanklich zu trennen. Beide schienen untrennbar mit dem Fortschritt verbunden zu sein, aber gleichzeitig wurde ihr Erscheinen paradoxerweise als Beweis dafür begrüßt, dass der Mensch zu seinem natürlichen Zustand zurückkehrt, befreit von den willkürlichen Beschränkungen der Religion oder der feudalen Autorität. Heute sehen wir, dass der Kapitalismus zwar für die frühe Entwicklung der Wissenschaft von wesentlicher Bedeutung war und ihr zum ersten Mal einen praktischen Wert verlieh, dass aber die menschliche Bedeutung der Wissenschaft in jeder Hinsicht über die des Kapitalismus hinausgeht und dass in der Tat die volle Entfaltung der Wissenschaft im Dienste der Menschheit mit dem Fortbestand des Kapitalismus unvereinbar ist.20

Es war die kapitalistische Bourgeoisie, die in ihrem fortschreitenden Kampf gegen das Ancien Regime – politisch, ideologisch und wirtschaftlich – die erste wirkliche Blütezeit der Wissenschaft herbeiführte. Die Wissenschaft wurde durch die neue Freiheit des Denkens und der Sprache in Verbindung mit der massiven Förderung technologischer Innovationen ermöglicht, die ein strukturelles Merkmal der kapitalistischen Verhältnisse ist.21

Wie bereits erwähnt, waren die politisch-​ideologischen Waffen, die im Kampf gegen den Föderalismus geschmiedet wurden, also der »Liberalismus«, jedoch nicht ohne Widersprüche. Ehe sie sich versah, sah sich die Bourgeoisie bald von den Arbeitern bedrängt, die eine konsequente und gründliche Anwendung liberaler politischer Grundsätze forderten. Wenn Gleichheit und Demokratie in der bürgerlichen Sphäre angemessen sind, warum nicht auch in der wirtschaftlichen? Wenn die Unterwerfung unter die willkürliche Macht eines Monarchen oder Aristokraten mit der Würde des Menschen unvereinbar ist, warum gilt das nicht auch für einen Manager oder Chef? Darwinistische biologische Konzepte spielten eine Schlüsselrolle bei der Verschleierung oder Rationalisierung dieser Widersprüche: Ihr Chef ist Ihr natürlicher Vorgesetzter, könnten die Kapitalisten argumentieren, aufgrund seiner überlegenen Gene (natürlich wird dieses Argument selten so unverhohlen vorgetragen). Wir erwähnen diesen Widerspruch hier jedoch nur, um die widersprüchliche und komplizierte Beziehung zwischen Kapitalismus, Liberalismus und Demokratie zu verdeutlichen. Zu diesem Thema gibt es eine umfangreiche marxistische Literatur, auf die wir hier nicht näher eingehen werden.22

Was weniger gewürdigt wird, ist die sich überschneidende und ebenso komplizierte Beziehung zwischen Kapitalismus und Wissenschaft, selbst in deren Blütezeit. So wie die Kapitalisten nur unter sehr begrenzten und spezifischen Bedingungen an der Demokratie interessiert waren, haben sie auch lange Zeit dafür gesorgt, dass der wissenschaftliche Fortschritt ihre Profite oder ihre Klassenposition in keiner Weise untergräbt. Dies zeigt sich vielleicht am deutlichsten in dem hartnäckigen Kampf der Kapitalisten, neue Technologien oder Forschungen durch Marken- und Patentrechte zu schützen. Noch bedeutender ist, dass die Bedingungen, die einige der großartigsten wissenschaftlichen Fortschritte im Kapitalismus begünstigt haben, das Ergebnis des erfolgreichen Klassenkampfes der Arbeiter gegen den Kapitalismus waren.

Die erfolgreichen Kämpfe für die öffentliche Bildung und für das notwendige Ernährungsniveau, um überhaupt davon profitieren zu können, waren Schlüsselelemente, ohne die die wahren Wunder der modernen Wissenschaft unmöglich gewesen wären. Die epochalen Siege der Arbeiterklasse bei der Errichtung der Sowjetunion, der Volksrepublik China und der anderen tatsächlich existierenden sozialistischen oder antikolonialen Volksregime des 20. Jahrhunderts haben die Macht aller Arbeiter auf der ganzen Welt massiv gestärkt. Diese Bedingungen übten einen starken Druck auf die Kapitalisten aus, die Wissenschaft in einer Form einzusetzen, die der Menschheit zumindest teilweise zugute kam, und zwar sowohl in Form eines großen Marktes für hochwertige Konsumgüter als auch in verschiedenen Formen der direkten oder indirekten demokratischen Einflussnahme auf die Staatshaushalte. Auf einer tieferen und komplizierteren Ebene, auf die weiter unten eingegangen wird, verdeckte die Ideologie der Wissenschaft, insbesondere der Virologie, die Güter, die die Massen durch ihre politischen Kämpfe einerseits und ihre produktive Arbeit andererseits für sich selbst errungen hatten. Denn wie wir zeigen werden, sind fast alle Rückgänge bei Krankheit und Tod, die auf die Intervention der Virologie zurückgeführt werden, in Wirklichkeit das Ergebnis einer verbesserten Ernährung und eines höheren Lebensstandards, die aus erfolgreichen Arbeitskämpfen gegen das Kapital resultierten.

Doch die besondere Geschichte der Virologie ist ein Thema für Teil 3. Hier geht es um die politisch-​ökonomischen Bedingungen, unter denen eine für den Menschen nützliche Wissenschaft möglich ist. Im zwanzigsten Jahrhundert erzwang der Sozialismus in der zweiten und dritten Welt und sogar in der kapitalistischen ersten Welt einen sozialdemokratischen Kompromiss zwischen den Arbeitern und der herrschenden Klasse. Daraus ergaben sich eine Reihe von Faktoren, die der Entstehung von Wissenschaft besonders förderlich waren. Sie wurden jedoch durch gegenläufige Tendenzen, insbesondere in bestimmten wissenschaftlichen Bereichen, ausgeglichen, die dem Gedeihen der Wissenschaft zutiefst zuwiderliefen. Dieses Kräfteverhältnis habe ich in meinem Aufsatz »Imperialismus heute ist Verschwörungspraxis« skizziert und werde es daher hier nur kursorisch zusammenfassen.

Der Kalte Krieg gab den zentralisierenden Tendenzen innerhalb des Kapitalismus, die von Marx, Lenin und vielen anderen analysiert wurden, einen massiven Auftrieb. Wie Lenin in seiner Broschüre Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus schrieb,

hatten Monopolisierung und Finanzialisierung die Funktionsweise des Kapitalismus bereits so gründlich verändert, dass zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts gesagt werden konnte:

In seinem imperialistischen Stadium führt der Kapitalismus bis dicht an die allseitige Vergesellschaftung der Produktion heran, er zieht die Kapitalisten gewissermaßen ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen in eine Art neue Gesellschaftsordnung hinein, die den Übergang von der völlig freien Konkurrenz zur vollständigen Vergesellschaftung bildet.

Die Produktion wird vergesellschaftet, die Aneignung jedoch bleibt privat. Die gesellschaftlichen Produktionsmittel bleiben Privateigentum einer kleinen Anzahl von Personen. Der allgemeine Rahmen der formal anerkannten freien Konkurrenz bleibt bestehen, und der Druck der wenigen Monopolinhaber auf die übrige Bevölkerung wird hundertfach schwerer, fühlbarer, unerträglicher.23

Lenin ging mit einem – wie sich leider herausstellte – übertriebenen Optimismus davon aus, dass die Vergesellschaftung der Produktion, die im imperialistischen Kapitalismus stattgefunden hatte, bald die Grundlage für den Sozialismus bilden würde. Dies war nicht der Fall (zumindest bisher nicht). Die Kapitalisten im imperialistischen Kern wurden nicht gestürzt. Im Gegenteil, im Kampf gegen den globalen Kommunismus gelang es den höchsten Schichten der Bourgeoisie, eine radikale, noch nie dagewesene Kontrolle über ihre Juniorpartner, die unteren Schichten der Bourgeoisie, das Kleinbürgertum und verschiedene feudale Überbleibsel, zu erlangen. Finanzialisierung und Kartellbildung, die, wie sowohl Lenin als auch Marx analysierten, aus dem Kapitalismus hervorgehen, aber auch schrittweise die Bedingungen für das Funktionieren des Kapitalismus abschaffen, wurden immer ausgeprägter. Wie ich in dem oben zitierten Aufsatz darlege, zwingt uns eine strenge materialistische Analyse zu der Schlussfolgerung, dass die Herrschaft einer solchen imperialistisch-​monopolistischen Clique zu so enormen Verzerrungen in der »kapitalistischen Wirtschaft« führt, dass sogar die Diskussion über eine qualitativ andere Produktionsweise gerechtfertigt erscheint. Man muss jedoch nicht solch radikalen Schlussfolgerungen zustimmen, um die in diesem Aufsatz entwickelte Hypothese zu akzeptieren, dass nämlich die für die heutige Gesellschaft kennzeichnende schwindelerregende von geheimen Netzwerken kontrollierte Konzentration von Reichtum und Macht, die sich mit Geheimdiensten und den mächtigsten politischen und militärischen Akteuren der Welt überlappt, einer blühenden Wissenschaft weder förderlich noch vielleicht auch nur minimal vereinbar ist.

Diese Reichtumskonzentration untergräbt vorgeblich wissenschaftliche Institutionen und Gremien von innen heraus, korrumpiert und verzerrt ihren Betrieb bis zu dem Punkt, an dem nur noch der äußere Anschein von Wissenschaft übrig bleibt. Je mehr man sich jedoch von der realen wissenschaftlichen Praxis entfernt, desto hysterischer und zwingender wird der Mantel der Wissenschaft beansprucht und die Teilnahme an ihr kontrolliert. Die Wissenschaft wird zur ausschließlichen Angelegenheit der von der herrschenden Klasse streng kontrollierten und beherrschten Mitglieder »wissenschaftlicher« Institutionen und Gremien erklärt. Feynman hat diesen Trend bereits 1966 richtig erkannt und bekämpft. Ein Teil seiner Rede an die Lehrer der Naturwissenschaften, die oben auszugsweise zitiert wurde, soll deshalb hier in größerer Länge wiedergegeben werden:

Eine weitere Eigenschaft der Wissenschaft ist, dass sie den Wert des rationalen Denkens sowie die Bedeutung der Gedankenfreiheit lehrt; die positiven Ergebnisse, die sich aus dem Zweifel an der Wahrheit der Lehren ergeben. Hier muss man – vor allem beim Unterrichten – die Wissenschaft von den Formen oder Verfahren unterscheiden, die manchmal bei der Entwicklung der Wissenschaft verwendet werden. Es ist einfach zu sagen: »Wir schreiben, experimentieren und beobachten und machen dies oder jenes«. Man kann diese Form genau kopieren. Aber große Religionen werden zerstört, indem man der Form folgt, ohne sich an den direkten Inhalt der Lehren der großen Führer zu erinnern. Genauso ist es möglich, der Form zu folgen und es Wissenschaft zu nennen, aber das ist Pseudowissenschaft. Auf diese Weise leiden wir alle unter der Tyrannei, die wir heute in vielen Institutionen erleben, die unter den Einfluss pseudowissenschaftlicher Berater geraten sind.

Wir haben zum Beispiel viele Studien in der Lehre, in denen Menschen Beobachtungen machen, Listen erstellen, Statistiken erstellen und so weiter, aber diese werden dadurch nicht zu einer etablierten Wissenschaft, zu einem etablierten Wissen. Sie sind lediglich eine nachgeahmte Form der Wissenschaft, ähnlich wie die Flugplätze der Südseeinsulaner – Funktürme und so weiter, die aus Holz gebaut sind. Die Inselbewohner erwarten die Ankunft eines großen Flugzeugs. Sie bauen sogar hölzerne Flugzeuge in der gleichen Form, wie sie sie auf den Flugplätzen der Ausländer um sie herum sehen, aber seltsamerweise fliegen ihre Holzflugzeuge nicht. Das Ergebnis dieser pseudowissenschaftlichen Nachahmung ist, dass sie Experten hervorbringt, was viele von euch sind. [Aber] ihr Lehrer, die ihr in Wirklichkeit Kinder unterrichtet, die ganz unten sind, könnt vielleicht an den Experten zweifeln.

Ich kann Wissenschaft übrigens auch anders definieren:

Wissenschaft ist der Glaube an die Unwissenheit der Experten. Wenn jemand sagt: ›Die Wissenschaft lehrt dies und jenes‹, dann benutzt er das Wort falsch. Die Wissenschaft lehrt nichts, die Erfahrung lehrt es. Wenn man Ihnen sagt: ›Die Wissenschaft hat dies und jenes gezeigt‹, könnten Sie fragen: ›Wie hat die Wissenschaft das gezeigt? Wie haben die Wissenschaftler das herausgefunden? Was? Was? Wo?‹ Es sollte nicht heißen: ›Die Wissenschaft hat gezeigt‹, sondern: ›Dieses Experiment, dieser Effekt, hat gezeigt‹. Und Sie haben das gleiche Recht wie jeder andere, nach den Experimenten – aber seien Sie geduldig und hören Sie sich alle Beweise an – zu beurteilen, ob eine vernünftige Schlussfolgerung gezogen wurde.24

In den letzten drei Jahren haben wir eine groteske Parodie dieses Trends in den hysterischen Forderungen nach »Vertrauen in die Experten« gesehen. Im Folgenden werden wir die zwingenden Beweise dafür aufzeigen, dass insbesondere die Mainstream-​Virologie ein eklatantes Beispiel für eine solche Pseudowissenschaft ist. Schließlich werden wir zeigen müssen, wie tragisch es ist, dass viele so genannte Marxisten Marx‹ Engagement für die wissenschaftliche Forschung durch einen vulgären Szientismus ersetzt haben. Das wahre Merkmal der Wissenschaft wurde natürlich von Marx selbst erkannt: Wissenschaft ist hart, sie erfordert Anstrengung. Die sklavische Durchsetzung der Ideologie der herrschenden Klasse ist im Vergleich dazu recht einfach. Im Vorwort zur französischen Ausgabe des Kapitals von 1872 stellt er25 fest:

Es gibt keine Landstraße für die Wissenschaft, und nur diejenigen haben, Aussicht, ihre lichten Höhen zu erreichen, die die Mühe nicht scheuen, ihre steilen Pfade zu erklimmen.

Danksagung

Dieser Aufsatz verdankt sich in hohem Maße dem Feedback, den Kommentaren und der Bearbeitung von Molly Klein, Karel Svoboda und Hieropunk. Auch die Kritik und Analyse von Jacob Levich sowie von Phil Greaves und dem Netzwerk von Kommentatoren und Forschern um sie herum hat ihn maßgeblich beeinflusst.

Verweise

2 Engelbrecht/​Köhnlein: Virus-​Wahn. Corona/​COVID-​19, Masern, Schweinegrippe, Vogelgrippe, SARS, BSE, Hepatitis C, AIDS, Polio, Spanische Grippe. Wie die Medizinindustrie ständig Seuchen erfindet und auf Kosten der Allgemeinheit Milliardenprofite macht, Books on Demand, 10. Aufl., April 2021, Einleitung.

3T. Mohr, »Imperialism Today is Conspiracy Praxis,« Magma- Magazin Der Masse, September 24 2022,https://magma-magazin.su/2022/09/t‑mohr/imperialism-today-is-conspiracy-praxis/.

4 Richard Feynman, »What is Science?« (presented at the fifteenth annual meeting of the National Science Teachers Association, 1966 in New York City, and reprinted from The Physics Teacher Vol. 7, issue 6, 1969, pp. 313 – 320, http://​www​.feynman​.com/​s​c​i​e​n​c​e​/​w​h​a​t​-​i​s​-​s​c​i​e​n​ce/. (Henceforth: Feynman, »What is Science?«

5 Richard Levins, »The Two Faces of Science« (Talk, HealthRoots Political Economy of Health Seminar Series, Harvard School of Public Health, Wed. Oct 17th | 12: 30 PM). (Henceforth: Levins, »The Two Faces of Science«). https://​www​.youtube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​a​E​A​0​u​t​1​G​uh4

6 David Fernbach, in: Karl Marx, Capital: A Critique of Political Economy, trans. David Fernbach, vol. 2 (London: Penguin, 1993), Preface, S.93, Fußnote.

7 Richard Lewontin, »Biology as Ideology« (Radio Lecture, CBC Massey Lectures, November 1990). (Henceforth, Lewontin, »Biology as Ideology«), https://​www​.youtube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​S​H​Q​t​7​z​d​O​cgk

8 Klein hebt insbesondere die profunde Arbeit hervor, die Michael Levin an der Tufts-​Universität für die DARPA leistet und die im Wesentlichen auf sowjetischer Wissenschaft beruht.

9 Lewontin, »Biology as Ideology.«

13 Harriet A. Washington, Medical Apartheid: The Dark History of Medical Experimentation on Black Americans from Colonial Times to the Present (Knopf Doubleday, 2008), p.42.(Henceforth: Washington, Medical Apartheid).

14 Washington, Medical Apartheid, p. 32.

15 Arthur L. Caplan, James J. McCartney, Dominic A. Sisti, eds, Health, Disease, and Illness: Concepts in Medicine (Washington, D.C.: Georgetown University Press, 2004) p. 37.

16 Washington, Medical Apartheid, p. 36

17 Washington, Medical Apartheid, p. 39 – 41

18 Interview with Michael Moore, Sicko (The Weinstein Company, 2007).

19 Walter Benjamin, in: „Über den Begriff der Geschichte“, VIII, Gesammelte Werke, Bd. 2, S. 957 – 966, hier S. 960, Zweitausendeins 2011.

20 John Desmond Bernal, Die soziale Funktion der Wissenschaft, erschienen 1986 bei Pahl-​Rugenstein im Westen sowie im Akademie-​Verlag in Berlin. De Gruyter bietet seit 2022 einen Reprint an. Englisch hier: https://​www​.marxists​.org/​a​r​c​h​i​v​e​/​b​e​r​n​a​l​/​w​o​r​k​s​/​1​9​3​0​s​/​s​o​c​i​a​l​s​c​i​e​n​c​e​.​htm

21 Konkret geht es um das Streben nach relativem Mehrwert, wie es von Marx im Kapital beschrieben wird.

22 Zu den wichtigsten Neuzugängen zu diesem Korpus gehören Ishay Landa: Der Lehrling und sein Meister. Liberale Tradition und Faschismus (Rezension in MagMa). Karl Dietz Verlag, Berlin 2021 sowie Domenico Losurdo: Freiheit als Privileg. Eine Gegengeschichte des Liberalismus, PapyRossa 2011.

24 Feynman, »What is Science?«

25 Karl Marx, Vor- und Nachwort zur französischen Ausgabe, in: Kapital, http://​www​.mlwerke​.de/​m​e​/​m​e​2​3​/​m​e​2​3​_​0​3​1​.​htm

Bild: »Der Doten dantz mit figuren : Clage vnd Antwort schon von allen staten der welt, 1495?« (wikimedia commons)

* The Military-​Academic-​Industrial-​Medico-​Scientific Complex

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